1. Der deutsche Kontext: Die duale Ausbildung als Standard
In Deutschland ist die duale Ausbildung zum Fachinformatiker (z.?B. in Systemintegration, Anwendungsentwicklung, digitale Vernetzung, Daten- und Prozessanalyse) der anerkannte Berufseinstieg in die IT-Branche.
Typische Merkmale:
- Drei (3) Jahre Ausbildung mit Praxisteil im Betrieb und Theorieteil in der Berufsschule
- Arbeit mit realen Systemen, Netzwerken, Servern, Firewalls, Datenbanken
- Direkter Kontakt mit Kunden, Dokumentation, ITIL-nahe Prozesse
- Herstellerspezifische Schulungen und Zertifikate (z.?B. Cisco, Microsoft, VMware)
- Berufsabschluss mit IHK-Prüfung
Ergebnis: Absolventen dieser Ausbildung haben einen hohen Marktwert, gelten als praxisnah, industrieerprobt und teamfähig.
Sie sind zudem meist zwischen 18 und 25 Jahre alt – also jung, formbar, flexibel.
2. CompTIA & Google Certificates – was sie leisten, was nicht
Stärken:
- CompTIA A+, Network+ und Security+ sind international bekannte Basiszertifikate – besonders im angloamerikanischen Raum verbreitet
- Sie eignen sich gut zur theoretischen Einführung in Themen wie Hardware, Netzwerke, Betriebssysteme, IT-Sicherheit
- Inhaltlich solide, oft mit Prüfungsfragen auf Helpdesk-/1st-Level-Niveau
- Google-Zertifikate (z.?B. IT Support, Cybersecurity) setzen auf strukturierte Online-Lernpfade mit begleitendem Wissen
Schwächen im deutschen Markt:
- Kein Praxisbezug mit echter Hardware (keine Labore, keine Fallbeispiele aus deutschen Betrieben)
- Keine Verankerung in deutschen Ausbildungssystemen (nicht IHK-/HWK-anerkannt)
- Englischsprachig, was für viele nicht-native Speaker eine Hürde darstellt
- Fehlende Tiefe für höhere technische Rollen (Netzwerkadministration, Security, DevOps etc.)
- Arbeitgeber in Deutschland kennen diese Zertifikate oft nicht oder ordnen sie als Einsteiger-Level ein
- Kein Ausbildungsstatus, kein dualer Rahmen, keine Berufsschulstruktur
Fazit: CompTIA- oder Google-Zertifikate sind nützlich als ergänzende Selbstqualifikation, aber kein Ersatz für eine berufliche Ausbildung oder tiefgreifende Weiterbildung mit Herstellerzertifizierung.
3. Udemy, Coursera & Co. – Selbstlernplattformen mit begrenzter Marktwirkung
- Coursera & edX bieten teils sehr gute Inhalte in Kooperation mit Universitäten (z.?B. Google, IBM, Stanford).
Diese Kurse sind aber nicht formal akkreditiert, sondern eher als „Online-Zertifikate“ zu sehen. - Udemy ist eine offene Kursplattform – jeder kann Inhalte erstellen. Die Qualität ist extrem unterschiedlich.
Ergebnis: Diese Kurse belegen Eigeninitiative, aber haben kaum arbeitsmarktrelevanten Nachweiswert – vor allem nicht bei Stellen mit strukturierter Einarbeitung oder Sicherheitsanforderungen.
4. Fazit im direkten Vergleich
| Kategorie | Duales System (Fachinformatiker) | CompTIA / Google Certificates | Udemy / Coursera |
| Dauer | 3 Jahre (IHK-prüfungsbasiert) | 3–6 Monate (Selbstlernend) | Variabel – oft <3 Monate |
| Praxisbezug | Hoch (echte Hardware & Projektarbeit) | Niedrig bis mittel | Sehr niedrig |
| Herstellerzertifiziert | Häufig (z.?B. Cisco, Microsoft) | Ja (CompTIA, Google), aber auf Einstieg | Nein (teilweise Teilnahmezertifikate) |
| Anerkennung bei Arbeitgebern | Hoch (in Deutschland etabliert) | Mittel bis gering | Gering bis nicht vorhanden |
| Sprache / Region | Deutsch, regional angepasst | Englisch, global | Englisch, global |
| Zugang zu IT-Berufen | Hoch (1st–3rd Level, Admin, Support, DevOps) | Eingeschränkt (v.a. Helpdesk-Niveau) | Nur für Nachweise eigener Initiative |
Empfehlung
Wer in Deutschland nachhaltig Fuß in der IT-Branche fassen möchte, sollte auf:
staatlich anerkannte Abschlüsse,
zertifizierte Weiterbildungen mit Praxis,
Herstellerzertifikate mit Marktwert (z.B. Cisco CCNA, CCNP)
setzen – besonders bei Berufen im Bereich Netzwerktechnik, IT-Sicherheit und Infrastruktur.
CompTIA und Google Certificates sind hilfreich für den Einstieg, aber nicht ausreichend für den Arbeitsmarkt, wenn man damit z.?B. als Netzwerktechniker, Security-Engineer oder Systemadministrator arbeiten möchte.
Weiterbildung allein reicht nicht – die Konkurrenz ist besser vorbereitet
Nach dem Abschluss vieler IT-Weiterbildungen (z.B. CompTIA, Google-Zertifikate oder kurzlaufende IT-Kurse) treten Absolvent:innen als Junior-Kandidaten auf den Arbeitsmarkt.
Was dabei oft unterschätzt wird: Die direkte Konkurrenz sind ausgebildete Fachinformatiker:innen, die aus dem dualen System kommen – also aus einer dreijährigen betrieblichen Ausbildung mit realer Projektverantwortung, Systemkenntnissen, Kundenkontakt und oft sogar Herstellerzertifikaten (Cisco, Microsoft, VMware etc.).
Und genau dort beginnen die Schwierigkeiten.
Denn viele Weiterbildungsmaßnahmen vermitteln eher oberflächliches Wissen oder bleiben auf Helpdesk-Niveau, während Fachinformatiker:innen (z.B. in Systemintegration) bereits mit:
- Active Directory
- Routing & Switching
- Firewall-Konfiguration
- Virtualisierung
- Betriebssystemdeployment
- Automatisierung & Skripting
konkret gearbeitet haben – oft unter Anleitung erfahrener Administratoren im echten Betriebsalltag.
Die Zahlen sprechen für sich: Der Markt ist voll.
Laut Bewerberbörse der Bundesagentur für Arbeit (Juli 2025):
- 6.153 arbeitsuchende Fachinformatiker:innen – Systemintegration
zur Quelle - 6.086 arbeitsuchende Fachinformatiker:innen – Anwendungsentwicklung
zur Quelle
Das bedeutet: Selbst ausgebildete IT-Fachkräfte sind aktuell arbeitslos gemeldet – und stehen mit voller Berufserfahrung auf dem Markt.
Doch entscheidend ist nicht nur die Ausbildung, sondern der fachliche Schwerpunkt.
Ob jemand eine Beschäftigung findet, hängt heute viel stärker davon ab, in welchem IT-Bereich die Qualifikationen liegen – und ob sie direkt auf aktuelle Marktbedarfe ausgerichtet sind.
Wer sich z.B. auf allgemeine Anwendungsentwicklung oder First-Level-Support spezialisiert hat, trifft auf hohe Konkurrenz und vergleichsweise viele Bewerber.
Demgegenüber sind Fachkräfte mit Schwerpunkt in Netzwerksicherheit, Infrastruktur, Cisco-Technologien, Firewalls, Automatisierung oder Cloud-VPN deutlich gefragter – hier gibt es teils nur wenige Dutzend aktiv suchende Bewerber bundesweit.
Fazit: Nicht jede IT-Qualifikation bringt automatisch Jobchancen.
Nur wer mit dem richtigen fachlichen Fokus in den Markt eintritt, hat realistische Erfolgsaussichten.
Was heißt das für Quereinsteiger?
Für Menschen ohne duale Ausbildung, die per Weiterbildung in die IT einsteigen wollen, gilt:
Die Chance, mit einem 3- bis 6-monatigen Kurs in den Arbeitsmarkt einzusteigen, ist nur dann realistisch, wenn der Kurs:
praxisnah ist
mit Originalhardware arbeitet
anerkannte Herstellerzertifikate beinhaltet (z.B. CCNA, CCNP)
Bewerbungstraining & strategische Positionierung unterstützt
Ansonsten wird die Bewerbungsstrategie schnell zur Sackgasse – denn warum sollte ein Unternehmen einen unerfahrenen Quereinsteiger einstellen, wenn es mehrere ausgebildete Fachinformatiker mit realer Praxis zur Auswahl hat?
Fazit:
Die Entscheidung für eine Weiterbildung in der IT darf nicht blindlings auf allgemeine Trends oder Versprechungen reagieren – sondern muss sich am realen Fachkräftebedarf orientieren.
Und dieser liegt heute nicht im First-Level-Support oder im Bereich „allgemeine Anwendungsentwicklung“ – sondern in spezialisierten Segmenten wie Netzwerksicherheit, Infrastruktur, Security-Operations und Automatisierung.
Wer sich auf diesen Arbeitsmarkt wagt, muss mehr mitbringen als das Minimum – insbesondere, wenn man gegen die starke Konkurrenz aus der dualen Ausbildung bestehen will.





